'Holland-Orkan' im Februar 1953

aktuell, 02.02.2024

Warnung der Bevölkerung bei Extremwetterlagen: In 71 Jahren nichts gelernt?

Mit großen Schritten nähern wir uns dem Höhepunkt der Karnevalssession 2023/2024. Bereits an diesem Wochenende sind in einigen Landesteilen erste Umzüge unterwegs – und das bei insgesamt auch durchaus passablen Wetterbedingungen.

Am eigentlichen Karnevalswochenende in der kommenden Woche könnte dies dann aber schon anders aussehen: Nach einem anfänglich noch milden Auftakt ins lange Karnevalswochenende an Weiberfastnacht (10-12 Grad), deuten die aktuellen Wettermodelle für die Tage darauf einen empfindlichen Temperatursturz an. So ist es aktuell durchaus wahrscheinlich, dass wir an Rosenmontag bei Höchstwerten(!) um 1 Grad in den Karnevalshochbugen wohl ein besonders dickes Kostüm aus der Verkleidungskiste holen müssen.

Die Grafik zeigt den aktuell berechneten Tagesmitteltemperaturverlauf zwischen dem 02. und 11. Februar für Bonn (braun), Hamburg (orange) und München (rosa). Deutlich zu sehen: Der Temperaturknick am Karnevalswochenende.

 

Wie schnell und heftig der Winter im Februar nach einer vorangegangenen milden Wetterphase zuschlagen kann, zeigt auch das Beispiel des „Holland-Orkans“, welcher vor genau 71 Jahren für chaotische Zustände in West- und Mitteleuropa sorgte.

Die Wetterlage zwischen dem 31.01 und 09.2. 1953 ist nicht nur aus rein meteorologischer Sicht interessant;sie zeigt auch bestimmte Fehler und Versäumnisse auf, die sich unter anderem auch im Rahmen der Flutlage im Sommer 2021 wiederholten.

 

Ablauf

In der Nacht auf den 01.02.1953 kam es, zusammen mit einer Springflut im Südosten Englands, in Belgien und den Niederlanden zu zahlreichen Überflutungen und Deichbrüchen. Schwer getroffen wurde hier unter anderem das belgische Ostende, die Opferzahlen gingen damals in die Tausende. Darüber hinaus waren in ganz Mitteleuropa erhebliche Sturmschäden zu beklagen. 

Und während die Küstenregionen vom verheerendsten Sturm des Jahrhunderts heimgesucht wurden, kam es in den Ardennen zu einem Schneesturm, der fast 48 Stunden anhielt, alle Kommunikationswege lahmlegte und mehrere Dörfer in den Unruhen isolierte. Der inzwischen verschwundene Weiler Rheinartzhof (Eupen, Ostbelgien) bleibt fünf Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten. Die nach dem Schneesturm bereits beträchtliche Schneedecke nahm in den folgenden Tagen weiter zu, teils gab es meterhohe Verwehungen.
 

​Im grenznahen belgischen Botrage/Weismes wurde mit 115 cm am 09.02.1953 die höchste jemals in Belgien verzeichnete Schneehöhe gemessen, in Saint-Hubert wuchs die Schneedecke auf 64 cm, in Spa auf 56 cm an. Vor den Wetterkapriolen erfolgte ein herber Temperatursturz: In Bonn etwa fielen die Höchstwerte von 9 Grad am 31.01.53 auf unter 0 Grad am 01.02.53 ab. Auch hier gab es Böen mit Geschwindigkeiten um 100 km/h und für diese Region erhebliche Schneemengen. In den höheren Lagen des Rhein-Sieg-Kreises (ab 100 bis 150 m) wurden bis zum 09.02. Gesamtschneehöhen von 20 bis 30 cm gemessen.

 

Probleme in der Kommunikation und "Unwetterdemenz"

Selbst die Vorhersager wurden 1953 von der Stärke der Naturkatastrophe überrascht, in England war man gar ahnungslos.Die Niederlande waren bis zu den immesen Auswirkungen des Sturms im Februar 1953 von einer "Sturmdemenz" betroffen, denn ein letztes ähnlich gravierendes Ereignis lag lange zurück.

Ein weiteres Problem, welches uns auch heute immer wieder ereilt: Die Prognosen wurden nicht gegenkorrigiert und nach dem Auftreten extremer Böen wurde versäumt, die Warnungen entsprechend anzupassen. Vielmehr blieb man einfach bei den „veralteten Prognosen“ und versteckte sich hinter meteorologischen Fachbegriffen. Politiker und Verwaltung verstanden die Dramatik nicht und aktivierten dementsprechend auch weder Deichschutz noch Militär.


Während die Flut 2021 von den Meteorologen gut vorhergesagt wurde, entpuppte sich die Kommunikation im Nachhinein trotzdem als vielfach mangelhaft. Die Dramatik und der absehbare Ausgang der Extremlage wurde nicht klar und deutlich und in für alle verständlicher Sprache formuliert - eine Schwachstelle, die heute wie vor 71 Jahren ein großes Thema ist.

In der Sturmnacht 1953 waren die Menschen an den Küsten vollkommen auf sich alleine gestellt, eine Kommunikation nach Außen gab es nicht, ebenso fehlten Radiohinweise. Und auch vor zweieinhalb Jahren "dudelte" die Automatik der Sender die „Besten Hits aller Zeiten“ durch die Flutgebiete an der Ahr. Oder die Sender waren ganz still.

Vergessen werden sollte dabei aber nicht: Das entscheidende Glied in der Warnkette befindet sich direkt am Anfang - die meteorologisch richtige Prognose, verpackt in einer klar verständlichen Sprache.

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